Positive UX-Überraschung – Selten, aber dann umso schöner

1. August 2024

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Marcus

Es passiert mir wirklich super selten, dass ich eine positive UX-Überraschung erleben darf. Vielleicht bringt das die lange leidvolle Erfahrung mit sich, dass ich erwarte enttäuscht zu werden. Dass ich bei der Nutzung eines Geräts oder Services so richtig positiv überrascht werde, kommt leider fast nie vor. Schon gar nicht, wenn es um was Digitales geht. Wenn es aber passiert, dann ist es umso schöner. Diesmal war ich sogar so begeistert, dass ich es hier direkt erzählen muss. Diese raren Ausnahmen lassen mich dann auch wieder daran glauben, dass doch noch nicht alles verloren ist und es vielleicht doch besser wird.

Nach 11 Jahren war es leider so weit: unsere Schnurlostelefone waren beide defekt und wir brauchten neue. Ich hatte keine exotischen Anforderungen: ich suchte ein Set mit zwei Mobilgeräten und einem Anrufbeantworter in der Basisstation. Gehäusefarbe sollte Weiß sein oder zumindest sehr hell. Als einziges Special-Feature sollte man ein Gespräch direkt mit einem einzigen Tastendruck im Lautsprechen-Modus annehmen können. Damit lässt sich die Auswahl schnell einschränken und dann habe ich nach Preis ausgewählt. Ich kann nicht mehr genau sagen, ob es das günstigste Set in der Auswahl oder das zweigünstigste war, jedenfalls habe ich das Panasonic KX-TGC 422 GW Set für unter 50€ gekauft.

Nur zu Sicherheit: Ich habe kein Geld von Panasonic dafür bekommen, das hier zu schreiben, noch habe ich irgendeine sonstige Verbindung zu Panasonic. Ich bin einfach nur begeistert von ihrem Produkt.

Wovon bin ich jetzt aber so positiv überrascht worden? Du kennst das ja sicherlich, bevor man die Telefone wirklich benutzen kann man, muss man sie zuerst konfigurieren:

  • Klingelton Mobilgerät 1
    • Klingelton auswählen
    • Klingeltonlautstärke einstellen
    • Hörerlautstärke einstellen
    • Telefonbucheinträge einspeichern
  • Klingelton Mobilgerät 2
    • Klingelton auswählen
    • Klingeltonlautstärke einstellen
    • Hörerlautstärke einstellen
    • Telefonbucheinträge einspeichern
  • Basisstation mit Anrufbeantworter
    • Klingelton auswählen
    • Klingeltonlautstärke einstellen
    • Persönliche Anrufbeantworter Ansage aufsprechen
    • Festlegen, wie oft es klingeln soll, bevor der Anrufbeantworter übernimmt

Es gibt somit jede Menge zu tun und das Konfigurieren ist in der Regel ein Drama. Obwohl es solche Geräte schon gefühlt ewig gibt, habe ich noch nicht viele Geräte benutzt, die sich wirklich schnell und einfach konfigurieren lassen. Und schon gar nicht in der Preisklasse, in der ich hier eingekauft hatte. Ich habe somit eigentlich mit dem Schlimmsten gerechnet, habe mir das erste Mobilgerät genommen und angefangen.

Die Auswahl des Klingeltons, sowie die Einstellung der Klingeltonlautstärke und der Hörerlautstärke waren überraschend einfach. Aber noch nicht so, dass ich in Begeisterung ausgebrochen wäre. Denn das Schlimmste stand ja noch bevor: das Einspeichern der Telefonbucheinträge. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, da viel Text eingegeben werden muss. Zwar nutzen alle Hersteller (zumindest in dieser Preisklasse) ein T9-Eingabesystem für die Namen und Telefonnummern im Telefonbuch, doch gibt es hier große Unterschiede in der Benutzung.

Leider ist T9 nicht gleich T9. 

Das Wechseln zwischen Groß- und Kleinschreibung, die Eingabe von Leerzeichen oder die Eingabe von Sonderzeichen sind erwartungsgemäß nicht selbsterklärend und dann muss das Handbuch her. Als bekennender Handbuchleser ist das für mich zwar kein Problem, aber selbsterklärend ist es auch mir 1000-mal lieber. Es ist ja schließlich keine Raketentechnik. Auch hier war ich überrascht, wie einfach die T9-Eingabe mit allen Spezialfällen ging. Kein Handbuch nötig. Alles wurde entweder über das Display oder auf der Tastatur klar vermittelt. Aber sowas erwarte ich heute auch ehrlich gesagt. Daher freue ich mich zwar immer wieder, aber begeistert bin ich von sowas natürlich nicht. Schon gar nicht, weil die T9-Eingabe natürlich trotzdem mühsam ist und bei einem längeren Telefonbuch nicht gerade eine spaßige Angelegenheit.

Ich war somit mit der Konfiguration des ersten Mobilgerät schneller als erwartet. Überraschenderweise konnte ich dann direkt im Anschluss auch gleich alle Einstellungen für die Basisstation im Mobilgerät vornehmen und war damit auch schnell fertig.

Die große Überraschung kam, als ich das zweite Mobilgerät in die Hand genommen haben. Als ich mit der Konfiguration beginnen wollte, habe ich gemerkt, dass es schon automatisch genauso konfiguriert ist, wie ich soeben das erste Mobilgerät konfiguriert hatte. Wie geil ist das denn bitte? Klingelton, Klingeltonlautstärke, Hörerlautstärke waren genau gleich. Vor allem wurde aber auch das komplette Telefonbuch übernommen. Es wurde mir somit die mühsame erneute Eingabe erspart. Das hatte ich wirklich überhaupt nicht erwartet. Du sagst jetzt vielleicht „So what?“, dieses Feature gibt es seit Jahren in jedem Telefon. Keine Ahnung, ob das mittlerweile überall so ist (und ich bezweifle es stark), für mich war es jedenfalls komplett neu.

Warum ist das eigentlich nicht schon immer so? 

Ich habe mich dann sofort gefragt, warum das eigentlich nicht schon immer so ist. Warum bitte, musste ich jahrelang alle Mobilgeräte separat konfigurieren. Das macht doch wirklich überhaupt keinen Sinn. Es sollte eigentlich schon immer so sein, dass die Geräte synchronisiert werden. Das ist so naheliegend. Kommunizieren können sie schon immer untereinander, aber warum synchronisieren sich nicht schon immer? #gleichrichtigmachen Und ja, jetzt kommen wieder einige „Experten“, die sagen: „Was aber, wenn ich die Geräte unterschiedlich einstellen will?“ Was für ein unsinniges Argument. Für die (ziemlich sicher sehr, sehr) wenigen Menschen, die wirklich unterschiedliche Telefonbücher in ihren Mobilgeräten haben wollen, die können das dann ja trotzdem so einstellen. Für sie macht es quasi keinen Unterschied, ob wie mit einem leeren Telefonbuch anfangen, oder einem bereits gefüllten. Der überwiegende Normalfall ist aber, dass überall das gleiche Telefonbuch verwendet wird. Diesen Normalfall gilt es zu optimieren. Wir dürfen keine Lösungen gestalten, unter denen die Mehrzahl aller Benutzerinnen und Benutzer leiden, nur weil es (im Promillebereich) einige wenige gibt, die eine andere Lösung bevorzugen (könnten).

Cockpit eines modernen Autos mit Apple CarPlay-Intergration, digitalen Tacho-Elementen und physischem Schalter zum Einstellen der Uhrzeit

Diese Argumentation erinnert mich immer an eine andere Situation: Ich habe viele Jahre angeprangert, dass bei allem High-Tech, das mittlerweile in Autos verbaut ist, es (fast) immer noch physische Schalter gibt, um die Uhrzeit im Auto manuell einzustellen. Was soll denn bitte dieser Unsinn? Die aktuelle Uhrzeit kann man heute aus gefühlt 10 Quellen automatisch bekommen (Smartphone-Integration, RDS, GPS, DAB+, …). Wozu diese Schalter, die sich die Hersteller auch immer teuer bezahlen lassen. Daraufhin habe ich regelmäßig als Antwort bekommen: „Was aber, wenn ich eine andere Uhrzeit einstellen möchte?“ Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Aber von mir aus, Ich möchte es den „Unmengen“ an Menschen, die eine andere Uhrzeit als die tatsächliche Uhrzeit in ihrem Auto einstellen, nicht verwehren. Das kann aber bitte in irgendeinem Untermenü gemacht werden und nicht über eigene physische Schalter. Auch hier: Bitte für den Normalfall optimieren! Trotz ihrer Liebe zu Schaltern für die Uhrzeit, schaffen es heute leider immer noch lange nicht alle Autos, automatisch zwischen Sommer und Winterzeit zu wechseln. Unfassbar. Aber dafür gibt’s natürlich nicht einfach einen Schalter. Sowas wäre viel zu teuer. Diese Einstellmöglichkeit haben sie in der Regel in irgendeinem Unter-Unter-Unter-Unter-Menü versteckt. Wer will denn auch schon das ganze Jahr die korrekte Uhrzeit sehen?

Brauchen wir das überhaupt? 

Aber zurück zum Telefon. Ich bin auf jeden Fall begeistert von der Lösung, die Panasonic hier implementiert hat, noch dazu in einem günstigen Gerät. Hier wurde das Feature „Eingabe des Telefonbuchs auf mehreren Endgeräten“ so weit optimiert, dass es nicht mal mehr nur super einfach geht, sondern gar nicht mehr manuell gemacht werden muss und einfach automatisch passiert. Genau so muss man an solche Aufgaben ran gehen. Oft sind wir so darin gefangen, noch einer möglichst einfachen Umsetzungsmöglichkeit für ein Feature zu suchen, dass wir völlig vergessen, uns zu fragen, ob wir dieses Feature überhaupt manuell (interaktiv) machen müssen oder gar überhaupt benötigen.

Panasonic hat mir auf jeden Fall geholfen, die Hoffnung noch nicht ganz aufzugeben, dass irgendwann alle (oder zumindest die meisten) Geräte einfach zu benutzen sind. Hast du in letzter Zeit auch eine positive UX-Überraschung erlebt? Dann schreibe sie uns bitte in die Kommentare.

Marcus

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