”Worum geht‘s hier eigentlich?” –
Das Big Picture (nicht) erklären können

19. September 2024

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Marcus

Das Projekt NICHT gut erklären können, in dem man gerade arbeitet

Du kennst die Situation bestimmt auch, wenn du neu in ein Projekt hinzukommst, das schon eine Weile läuft. Du weißt noch nicht genau, worum es im Projekt geht und wie es bisher so läuft. Um das herauszufinden, fragst du möglichst viele Projektmitarbeitende, worum es hier eigentlich geht. Dabei fällt meist direkt auf, dass sich viele tatsächlich richtig schwer damit tun, über das Projekt an sich zu sprechen und nicht nur über ihren konkreten Anteil daran oder sogar nur ihre derzeitige konkrete Aufgabe im Projekt. Das „Big Picture“ des Projekts zu erklären fällt fast allen schwer.

Was dann fast immer passiert ist, dass jede:r die „Story“ des Projekts ein bisschen anders erzählt. Auch wenn man nach der ersten Antwort zu wissen glaubt, worum es im Projekt grob geht und wie es bisher so läuft, so ändert sich das „Bild“, das man sich vom Projekt gemacht hat, nach der zweiten Antwort deutlich und die dritte Antwort passt fast gar nicht mehr dazu. Da kann man sich schnell fragen: „In welchen Film bin ich hier denn geraten.“

Ich möchte dieses Erlebnis hier gerne an einem Beispiel mehr im Detail besprechen. Damit du das aber tatsächlich gut nachvollziehen, miterleben und mitfühlen kannst, müsstest du das Projekt gut kennen, das ich als Beispiel verwende. Da dies wohl eine nicht zu erfüllende Anforderung ist, werde ich mal wieder ein Beispiel aus einer völlig anderen Domäne nutzen, das aber jede:r kennt.

Mir geht es schließlich um das allgemeine Problem, dass sich viele Menschen einfach total schwer damit tun, das „Big Picture“ bzw. die Gesamt-„Story“ von etwas zu erklären. Das kennen wir zwar vom Projektgeschäft, es trifft aber auf viele andere Dinge auch zu. Daher bediene ich mich mal wieder in meiner Lieblingsdomäne, dem Movie Business, und gehe der Frage nach:

Worum geht’s eigentlich in ‚Zurück in die Zukunft‘.

Ich gehe davon aus, dass du „Zurück in die Zukunft (Back to the Future)“ aus dem Jahr 1985 gesehen hast. Falls nicht: Shame on you! Ein absoluter Klassiker aus den 1980er Jahren, wenn nicht sogar DER Film aus den 80ern, den jede:r gesehen haben muss. Daher, wenn du ihn nicht kennst, vor dem Weiterlesen sofort schauen. Schaue am besten gleich alle drei Teile der „Zurück in die Zukunft Trilogie“, auch wenn der erste Teil für diesen Artikel (meist) ausreicht und der Film auch gut für sich allein stehen kann. Du kannst natürlich auch weiterlesen, wenn du den Film nicht gesehen hast, aber besser wäre es schon.

Das ist das Original Filmposter von 1985, ein absolut ikonisches Poster. Gestaltet wurde das Poster, so wie auch die Poster für die beiden Fortsetzungen, von einer Legende des Filmposter-Designs: Drew Struzan. Ohne es zu wissen habt ihr ganz bestimmt schon einige Filmposter von ihm gesehen (z.B. „E.T. – Der Außerirdische“, „Rambo – First Blood“, „Die Goonies“, „Harry Potter und der Stein der Weisen“, „Indiana Jones und der Tempel des Todes“, „Der Name der Rose“).

Filmposter sollen Menschen dazu anregen, sich den Film im Kino anzusehen. Das Poster muss somit Appetit auf dem Film machen und dabei gleich viele Dinge transportieren: Um welches Filmgenre handelt es sich, in welcher Zeit spielt der Film und wer spielt darin mit. In der Regel werden Filmposter nicht dafür gemacht, das Big Picture bzw. die Gesamtstory bestmöglich zu erklären, auch wenn das früher sogar noch deutlich mehr der Fall war als heute. Dennoch möchte ich nachfolgend alternative Filmposter genau dazu nutzen. Das Internet ist voll von Filmpostern für „Zurück in die Zukunft“, die von Fans gestaltet wurden. Natürlich auch nicht zu dem Zweck, bestmöglich die Story zusammenzufassen. Ich werde sie hier jetzt aber genau dazu zweckentfremden, und so tun, als wäre das Filmposter die Big Picture- Zusammenfassung, die mir als visuelle Antwort auf meine Frage nach der Gesamtstory von „Zurück in die Zukunft“ von (Film-) Team-Mitglieder gegeben wurde, die in irgendeiner Rolle an der Entstehung des Films beteiligt waren. Es wird dir bestimmt nicht schwerfallen, die verschiedenen Aspekte auf Big Picture-Zusammenfassungen von Projekten zu übertragen, die du schon gehört hast. Vertreter der verschiedenen Persönlichkeitsgruppen hast du sicherlich auch schnell im Kopf, denn es gibt sie (fast) überall. Du kannst dir beim Lesen überlegen, zu welcher Gruppe du vielleicht gehörst. Vielleicht ja sogar zu mehr als einer.

Fast jedes (Film-) Genre ist dabei

20’s Screwball Comedy
z.B. Safety Last!

50’s Alien Film
z.B. The Blob

60’s Musical Film
z.B. The Sound of Music

70’s Sozialkritik Film
z.B. Taxi Driver

80’s Evil Car Film
z.B. Christine

80’s Apocalypse Film
z.B. Mad Max

80s Teen Road-Movie
z.B. Crossroads

90’s Crime Film
z.B. Heat

Weihnachtsfilm
z.B. Scrooged

Anime Film
z.B. Akira

In diesem Abschnitt habe ich die Antworten aus der Gruppe von Team-Mitgliedern zusammengefasst, die lieber über die Stimmung im Projekt, das Projekt-Setting oder generelle Abläufe im Projekt sprechen als über das eigentliche Ziel, die Aufgabe des Projekts, bzw. darüber, welches Problem das Projekt lösen soll. Bei den Filmposter-Antworten sind das Poster, die mehr das Filmgenre transportieren als die tatsächliche Story. So divers wie die Poster sind auch die Antworten der Personen aus dieser ersten Gruppe.

Das zweite Poster sagt uns ganz klar, dass es hier um einen Film aus den 50er Jahren geht und nicht um einen Film über die 50er. Was natürlich völlig falsch ist. Die verschiedenen Poster kommunizieren aber nicht nur ganz klar unterschiedliche Jahrzehnte, in denen der Film spielt, sondern auch ganz klar unterschiedliche Filmgenres. Die wiederum korrelieren sehr schön mit Aussagen, die über Projekte getroffen werden. Da gibt es das 60er Jahre Musical Projekt, in dem alle glücklich sind und sich gegenseitig liebhaben. Es wird außerdem viel gesungen und getanzt. Es gibt aber auch das 70er Jahre sozialkritische Projekt, in dem das Projektteam als missverstandene Gemeinschaft gegen das vorherrschende System kämpft. Sie sehen als einzige das wahre Gesicht des Systems und setzen in ihrem Widerstandskampf oft fragliche Mittel ein. Dann gibt es das 80er Jahre Evil Car Projekt, wobei hier das Auto nur stellvertretend für irgendeine (neue) Technologie steht. Die Technologie (z.B. Cloud, Microservices oder NoSQL-Datenbanken) kommt scheinbar als Freund daher, ist aber in Wahrheit eine Bedrohung für das existierende System und die existierende Gemeinschaft. Es muss zerstört bzw. verhindert werden. Als Steigerung gibt es noch das 80er apokalyptische Projekt. Hier ist das System schon ganz am Ende und alle, die daran arbeiten, haben aufgegeben und existieren nur noch vor sich hin. Alles ist sinnlos. Es gibt nichts mehr zu gewinnen und keine Aussicht auf Besserung. Im 80er Jahre Teen Road-Movie Projekt haben wir es mit einem jungen Team zu, das viele Erfahrungen erst noch machen muss. Ohne Angst, aber auch ohne Vorsicht stürzen sie sich von einem Abenteuer in das nächste, als gäbe es kein Morgen mehr. Immer in der Hoffnung, dass am Ende schon alles gut werden wird. Zumindest eine Zeit lang ist die Stimmung echt gut und es gibt einen fantastischen Soundtrack. Dann wäre da noch das 90er Jahre stylische Crime Projekt. Die Story ist sehr verworren, denn Teile des Systems wurden schon high-glossy modernisiert aber die Vergangenheit in Form von Legacy-Subsystemen mischt immer noch mit und will die ehemals prominente Rolle im Gesamtsystem nicht aufgeben. Unser Antwortgeber sieht sich selbst als die einzige Person, die dieses Verwirrspiel durchblicken und auflösen kann. Leider kann es in diesen künstlerisch angehauchten Produktionen durchaus dazu kommen, dass es kein Happy End gibt, der Protagonist versagt oder sogar stirbt.

Wir bekommen mit (fast) jeder neuen Antwort ein neues Genre vermittelt und oft ist nach einer Reihe von Gesprächen fast jedes existierende Genre dabei, bis hin zu 20er Jahren Screwball-Comedies, Weihnachtsfilmen oder Animes. Genau wie in den obigen Beispielen, ist es jedoch recht häufig der Fall, dass das tatsächliche Genre gar nicht dabei ist. Im Falle von „Zurück in die Zukunft“ wäre das „80er Abenteuer-/Science-Fiction-Komödie“ (laut IMDb). Das transportiert keins der obigen Poster. Genau so kann es uns auch in Projekten gehen, dass wir von niemandem ein Bild des wahren Projekts bekommen.

Ist es vielleicht gar kein Film, sondern ein Buch?

Nach manchen Gesprächen hat man das Gefühl, dass die Befragten gar nicht von einem Film gesprochen haben, sondern eher von einem Buch. Insbesondere, von Science-Fiction Romanen. Minuten- bzw. stundenlang ergehen sich die Befragten in Beschreibungen, wie die derzeit entwickelte Technologie zunächst die eigene Branche, dann angrenzende Branchen und schließlich die gesamte (Business-) Welt verändern wird. Keine Vision ist hier zu groß. Alles ist möglich und nichts ist zu teuer. Dabei schrecken sie auch nicht vor technologischen Detailbeschreibungen zurück, die so umfangreich sein können, dass man gar nicht mehr weiß, warum das im Detail überhaupt wichtig ist. Wahrheit und Fiktion verschwimmen übergangslos. Auch von noch nicht existierenden Lösungen wird mit solcher Inbrunst gesprochen, dass es schwer fällt, sie zu hinterfragen. Der rote Faden der Story ist nur noch schwer oder gar nicht mehr zu erkennen.

So viel Zeit hat man in Filmen nicht, nur in Büchern. Dabei wird leider oft vergessen dazuzusagen, dass sich erst mal noch zeigen muss, ob die neue Technologie überhaupt realisiert werden kann – im Rahmen des aktuellen Projekts oder überhaupt. Dabei ist es in Büchern von Vorteil, dass man nichts zeigen muss, sondern nur darüber redet. Papier ist geduldig und so lassen sich die Befragten seitenlang über die gewünschte Umsetzung aus, ohne Gefahr zu laufen, dass jemand bemerkt, dass das Beschriebene nie so funktionieren kann und wird. Auch der Gedanke an Kochbücher drängt sich oft auf, wenn man im Detail erklärt bekommt, was man wann und wie zusammenbringen muss, um zum Ergebnis zu kommen. Das kann so weit gehen, dass eigentlich mehr über den Prozess (also wie man kocht) gesprochen wird, als über das Produkt (das Essen).

Oder sogar ein Computerspiel?

Noch schlimmer ist es, wenn man das Gefühl bekommt, dass nicht über einen Film, sondern von einem Computerspiel gesprochen wird. In solchen Projekten scheinen die Mitarbeitenden Vollzeit rumspielen und rumprobieren zu können. Die Stimmung ist super, denn es muss auch nichts erreicht werden. Wenn sich ein Lösungsweg als nicht erfolgreich erweist, dann wird halt einfach der nächste ausprobiert. Es hört sich so an, als kostet das alles kein Geld. Es ist auch nicht wirklich schade um die (vergeudete) Zeit, denn man hatte ja richtig Spaß dabei. Sterben kann man in Spielen in der Regel auch nicht wirklich. Man kann immer wieder neu beginnen. Der neue Weg wird natürlich auch wieder einfach so eingeschlagen wie alle bisherigen, ohne zu überlegen, ob das jetzt wirklich die beste Option ist oder einfach nur irgendeine weitere, die man halt noch nicht ausprobiert hat. Gefühlt wird in diesen Projekten nicht mit echten Ressourcen gearbeitet, sondern mit fiktiven, die nie ausgehen. Was natürlich (leider) nie der Fall ist.

Manchmal versteht man sogar gar nix

Machen wir uns nichts vor. Manchmal geht man auch aus solchen Gesprächen raus und hat überhaupt nichts verstanden. Keine Ahnung wovon der/die gerade geredet hat. Wie gut auch immer das eigene Vorwissen war, bevor man in das Gespräch geht, die neuen Informationen passen einfach überhaupt nicht zusammen. Ob das daran liegt, dass unser:e Gesprächspartner:in nichts vom Projekt versteht oder es nur nicht gut erklären kann, bleibt oft ungeklärt. Schau dir mal das obige Poster an. Ich kenne „Zurück in die Zukunft“ wirklich richtig gut und ich habe null Ahnung, was mir dieses Poster sagen will. Ist es der Zeitsprung, der aber im Film gar nicht visualisiert wird? Ist es der DeLorean in Bewegung? Da passen aber die Farben nicht. Die Farben kommen im Film in dieser Kombination sowieso nicht vor. Wenn ich dieses Poster sehe, dann denke ich mehr oder weniger direkt an „2001 – Odyssee im Weltraum“, aber nicht an „Zurück in die Zukunft“.

Manche wissen noch nicht mal, wie das (Film-) Projekt richtig heißt

Es passiert auch immer wieder, dass Team-Mitglieder noch nicht einmal den Namen des Projekts kennen. Zumindest nicht den derzeit aktuellen Namen oder den exakten Namen des Projekts. So wie „Zurück zum ‚Verzauberung unter dem See‘ Tanz“ zwar tatsächlich etwas mit der Handlung des Films zu tun hat, so ist es deswegen noch lange nicht der Name des Projekts. Wenn sich aber ein falscher Name erst mal intern festgesetzt hat, oder lange genug geglaubt wurde, dass es der richtige Name ist, dann ist dieser nur sehr schwer wieder loszuwerden. So kann es durchaus dazu kommen, dass es eine Vielzahl an Namen und Abkürzungen für ein und dasselbe Projekt gibt.

Die Origin-Story: Worum es ursprünglich mal gehen sollte

Jetzt kommen wir zu einer ganz besonderen Gruppe von Team-Mitgliedern, die in der Regel schon ganz lange mit dabei sind, oft schon lange bevor es ein echtes Projekt war. Hier kann es leider durchaus passieren, dass exzessiv über das gesprochen wird, was das Ziel des Projekts ursprünglich mal war, wie man anfangs an das Projekt herangegangen ist und wie viele Richtungs- und Personaländerungen das Projekt schon hinter sich hat.

Natürlich ist aus einer gewissen Perspektive durchaus interessant, dass die Hauptrolle des Marty McFly ursprünglich von Eric Stolz gespielt wurde. Nachdem schon einen Monat lang mit ihm gedreht wurde, musste Regisseur Robert Zemeckis gegensteuern, weil der Film mit ihm zu düster war und nicht in die gewünschte Comedy Richtung ging. Trotz des immensen Aufwands entschloss man sich, ihn durch den ursprünglichen Wunschkandidaten Michael J. Fox zu ersetzen, der aber vertraglich in der TV-Serie „Familienbande (Family Ties)“ festhing. Alle Szenen mit Marty wurden dann noch einmal gedreht, immer nachts nach den Dreharbeiten zu „Familienbande“. Die Faust, die Biff 1955 in „Lou’s Cafe“ schlägt, ist übrigens immer noch die von Eric Stolz. Es ist auch schön zu wissen, dass der ursprüngliche Name des Films „Spaceman from Pluto“ war und die Zeitmaschine nicht ein Auto, sondern in einen Kühlschrank gebaut werden sollte. Alles interessant. Du hast das bestimmt auch gerade interessiert gelesen. Wunderbar. Aber eben nicht, wenn man wissen möchte, wie das Big Picture des aktuellen Projekts aussieht. Da will man nicht wissen, wie es hätte sein können, und wer es hätte machen sollen und wie oft das schon geändert wurde. Da will man wissen, wie es jetzt ist.

Ein-Satz-Zusammenfassungen (Zitate)

Immer wieder bekommt man als direkte Antwort auch nur eine markante Aussage zurück, die als Kurzzusammenfassung dienen soll, es aber leider nicht tut. Oft sind es Taglines aus Projekt-Präsentation oder sogar aus schon existierendem Werbematerial. Meist sind es auch Aussagen, die sich leider nur auf einen Teil des Systems beziehen. Besonders witzige Aussagen oder Aussagen, die besonders imposant vorgetragen wurden, bleiben besonders gut in Erinnerung. Sobald man verstanden hat, worum es tatsächlich geht, kann man solche Projekt-Zitate auch gut einordnen und vielleicht sogar mitlachen. Denn sie gehören ganz klar fest zum Projekt. Aber als Kurzzusammenfassung sind sie in der Regel absolut unbrauchbar.

„Calvin Klein. Das steht jedenfalls da auf deiner Unterhose.“ oder „Du bist mein Rikscha.“ sind wirklich witzige Filmzitate, aber sie taugen überhaupt nicht als Zusammenfassung. Es sind witzige Anekdoten, die noch nicht mal ein bisschen auf irgendeinen wichtigen Aspekt der Handlung hindeuten. „Oh mein Gott. Die haben mich gefunden. Ich weiß nicht wie, aber die haben mich gefunden.“ spricht immerhin einen zentralen Punkt der Handlung an, aber eben nur, wenn man das Gesamtbild schon kennt. Und dann wäre es bestimmt nicht der erste und einzige Punkt, den es zu nennen gilt. Was leider auch immer wieder vorkommt, ist, dass Aussagen mit einem Projekt in Verbindung gebracht werden, die bei genauerer Betrachtung tatsächlich nicht dazu gehören. „Niemand nennt mich eine feige Sau.“ wird sehr gerne als Zitat aus „Zurück in die Zukunft“ angeführt. Es kommt aber im ersten Teil der Trilogie überhaupt nicht vor, sondern erst ab dem zweiten Teil. Dann wird es zwar wichtig, aber eben nicht für den ersten Teil. Oft sind es aber nur irgendwelche technischen Aussagen, die wenig bis nichts zum Verständnis des Gesamtsystems beitragen. „Wollen sie mir weismachen, sie bauten eine Zeitmaschine? Aus einem DeLorean?“ oder „Wollen sie mir sagen diese Kiste fährt mit Atomenergie?“ sind zwar im Film große Lacher, aber helfen nur sehr bedingt beim Gesamtverständnis.

Dann gibt es noch Zitate, die quasi jeder kennt. Dazu gehören sicherlich: „Straßen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Straßen.“ Ein Zitat, das Filmgeschichte geschrieben hat (Platz 37 der beliebtesten Filmzitate). Aber zum Verständnis des ersten Teils trägt es nichts bei. Im Gegenteil, es könnte sogar kontraproduktiv ausgelegt werden, wenn man die Handlung kennt. Für die Fortsetzung hingegen, passt es gar nicht mal schlecht.

Team-Mitglieder & Stakeholder (Schauspieler)

Eine weitere Gruppe redet besonders gerne ausschließlich über andere Menschen, z.B. andere Team-Mitglieder oder Stakeholder des Projekts. Ewigkeiten können sie darüber reden, wer etwas besonders gut macht und noch länger darüber, wer etwas aus ihrer Sicht besonders schlecht macht. Das hilft zwar nicht beim Systemverständnis, aber wenn man Glück hat, bekommt man wenigstens dabei einen guten Überblick über das Projekt-Team und die zugehörigen Stakeholder. So decken hier die ersten Poster tatsächlich gut die wichtigsten Rollen im Film ab. Meist ist es aber eher so, wie im dritten Poster, dass man nur eine Auswahl an Protagonist:innen vorgestellt bekommt und das müssen noch nicht einmal die wichtigsten sein.

Wird über Stakeholder des Systems gesprochen und insbesondere über die späteren Nutzergruppen des Systems, so wird es leider sehr schnell eindimensional. Meist hat man sich auf genau eine Hauptnutzergruppe eingeschossen. Wenn man Glück hat, dann ist das tatsächlich die wichtigste Nutzergruppe (Marty McFly). Gerne bekommt man aber auch eine Gruppe vorgestellt, die bei genauerer Betrachtung zwar wichtig aber keinesfalls die Hauptnutzergruppe ist (Martys Mutter Lorraine Baines oder Dr. Emmett Brown). Und wenn es ganz schlecht läuft, dann bekommt man ein Nutzergruppe vorgestellt, die das System zwar nutzen aber tatsächlich keine große Bedeutung als Nutzergruppe haben (Martys Freundin Jennifer Parker). Weil das Big Picture aber noch fehlt, kann man nur schlecht einschätzen, wie man die Antworten einordnen sollte.

Eher nebensächliche Details

Obwohl wir nach dem Big Picture fragen, dreht sich der größte Anteil der Antworten, die wir bekommen, um Details. Und ehrlich gesagt, meist um eher nebensächliche Details. Das wird uns aber natürlich erst am Ende unserer Befragungsrunde bewusst. Am Anfang können wir das nicht einschätzen und hören gespannt zu. Warum man uns genau von diesem einen Detail als Repräsentant für das Big Picture erzählt, bleibt dabei oft ein Geheimnis: Arbeitet das Team-Mitglied gerade an diesem Detail, war es seine Idee, das Detail im Projekt unterzubringen, ist das Detail gerade aktuell in der Kaffeeküche diskutiert worden oder wird tatsächlich geglaubt, es ist ein guter Repräsentant für das Projekt.

Die Sammlung an Postern in diesem Abschnitt repräsentieren solche Detail-Antworten recht gut. Mit dem Poster der Converse Chucks haben wir ein perfektes Beispiel für ein Detail, das beim besten Willen kein guter Repräsentant für den Film ist. Ja, Marty trägt im Jahr 1955 schwarze Chucks, an Stelle seiner Nike Bruin aus 1985. Aber sie spielen keine besondere Rolle und sind so alltäglich, dass sie für 1000 andere Filme stehen könnten, da Chucks mehr oder weniger unverändert seit 1917 erhältlich sind, seit 1923 mit dem charakteristischen runden Aufnäher am Knöchel. Der Wecker ist ebenso völlig uninteressant und zeigt noch nicht einmal eine Uhrzeit an, die im Film eine wichtige Rolle spielt. Auch der Autoreifen und das Rücklicht sind sehr schlechte Kandidaten. Man muss sich schon richtig gut auskennen, um an der Felge des Reifens oder der Form des Rücklichts zu erkennen, dass es sich um einen DeLorean DMC-12 handelt, das Auto, das in eine Zeitmaschine umgebaut wurde. Natürlich bringt man den DeLorean sofort mit „Zurück in die Zukunft“ in Verbindung, aber weder seine Reifen noch sein linkes Rücklicht sind dabei besonders wichtig.

Genau wie die Gitarre steht auch das Skateboard stellvertretend für eine wichtige Szene im Film und ist damit schon deutlich besser als die bereits genannten Details. Für die Handlung sind sie aber eher nebensächlich. Somit sind auch sie ungeeignet als alleiniger Repräsentant für den Film. Auch oder gerade bei Details muss man aufpassen, ob sie wirklich zum Projekt gehören. Schnell wird das Hoverboard genannt, wenn es um „Zurück in die Zukunft“ geht, das aber erst in der Fortsetzung eingeführt wird. Die Turmuhr ist zwar wichtig, zeigt aber auch keine wichtige Uhrzeit aus dem Film an und ist allein gesehen auch nicht wirklich hilfreich, um den Film zu beschreiben. Das Gleiche gilt für die Fernsteuerung. Auf dem schwarzen Poster mit dem Tacho wurde versucht, das Thema Auto mit verschiedenen Kalenderjahren in Verbindung zu bringen. Warum zeigt die Tachonadel in einem Film von 1985, dessen Story eine Zeitreise nach 1955 ist, dennoch auf die ’85? Wir werden es nie erfahren. Da sind die (geschätzten) 88 mph auf dem Roten Tacho des letzten Posters deutlich besser, auch wenn natürlich überhaupt nicht klar wird, was sie zu bedeuten haben. Das Poster mit dem Foto von Martys Geschwistern, die sich langsam auflösen, ist schon viel besser als wichtiges Detail geeignet. Auch wenn sich die Geschwister hier auf andere Art auflösen als tatsächlich im Film. Dennoch ist auch dieses Foto allein nicht geeignet, um die Story des Films zu verstehen.

Super technische Details

Wenn es um Details geht, dann werden gerne auch sehr technische Details genannt. Vor allem von Entwickler:innen. Wenn man viel Glück hat, dann kann man ihnen halbwegs folgen, aber sie ordnen diese Details in der Regel nicht ins Gesamtbild ein. So hat man zwar einen tiefen Einblick bekommen, aber man weiß nicht worin und warum. Gerne werden während der Erklärung auch ausschließlich Fachbegriffe und Abkürzungen verwendet, die man natürlich nicht versteht, weil sie außerhalb des Projekts keine oder eine völlig andere Bedeutung haben. Natürlich ist es schön, genau zu verstehen, wie die 88 mph und die 1,21 Gigawatt in Verbindung stehen und was dann genau passiert. Aber das ist erst wirklich interessant, wenn man weiß, warum das überhaupt wichtig ist.

Das schwarze Poster passt auch super zu solchen technischen Detail-Antworten. Der „Superknüller“ passiert erst bei 88 mph. Also bitte die ersten 87 mph davor nicht im gleichen Detailgrad erzählen. Das passiert aber tatsächlich. Wer so ein Gespräch schon mal miterlebt hat, kennt die Gefühle, die man durchlebt, wenn man feststellt, was man sich hier gerade unnötig eine Ewigkeit lang angehört hat. Teaser: Es sind keine schönen. Es kann aber auch genauso gut passieren, dass man ein Detail, wie hier die Daunenweste, umfänglich mit allen Infos zum Schnittmuster, Material und Herstellungsprozess erklärt bekommt, nur um dann herauszufinden, dass die Weste für die Handlung überhaupt keine Rolle spielt.

Minimalismus extrem

Das krasse Gegenteil zu „too much information“ gibt es natürlich auch. Die Antworten fallen so spärlich aus, dass man überhaupt nichts versteht. Das Gespräch hätte man sich sparen können. Wenigstens dauert es dann auch nicht so lange. Auch wenn man die Titelangabe weglässt, so kann man beim ersten und letzten Poster mit viel Phantasie und Vorwissen noch einen Bezug zu „Zurück in die Zukunft“ herstellen. Bei den Postern, die nur farbige Steifen zeigen, wird das schon mächtig schwer. Sei ehrlich, wenn man dir ohne Kontext eines dieser Poster zeigt, auf denen kein Filmtitel steht, erkennst du, dass es sich um ein „Zurück in die Zukunft“ Poster handelt?

Ein wichtiges Detail, das alle kennen

In so ziemlich jedem Projekt, gibt es (mindestens) ein Detail, das quasi alle Team-Mitglieder kennen. Darüber können dann auch alle berichten. Sprechen sie es nicht sowieso von selbst an, so können sie zumindest etwas dazu sagen, wenn man sie direkt danach fragt. In „Zurück in die Zukunft“ ist so ein Detail der Fluxkompensator, „der Reisen in die Zeit überhaupt erst möglich macht.“ Aber genauso verschieden wie die Darstellung des Fluxkompensators auf den verschiedenen Postern ist, genauso unterschiedlich sind die Erklärungen in Projekten, zu ein und demselben Detail. Mal bekommt mal mehr, mal weniger Infos. Das gleiche Detail ist mal gelb, mal blau, mal weiß, mal schwarz. Das Detail in den Projektkontext einzuordnen, fällt aber leider den Meisten schwer. Als Konsequenz weiß man dann zwar noch einigen Gesprächen, dass dieses Detail wohl wichtig ist, aber nicht so genau, warum eigentlich.

Ein anderes wichtiges Detail, das alle kennen

Meist gibt es in Projekten (mindestens) ein weiteres Detail, das so ziemlich jedes Team-Mitglied kennt und zu dem es zumindest irgendetwas Sinnvolles berichten kann. In „Zurück in die Zukunft“ ist das ganz klar der DeLorean DMC-12, der von Doc Brown zu einer Zeitmaschine umgebaut wurde. Ehrlich gesagt ist der DeLorean DAS Detail, das als erstes genannt wird, noch vor dem Fluxkompensator. Das ikonische Auto mit den Flügeltüren und der Karosserie aus rostfreiem Stahl steht stellvertretend für den Film wie nichts anderes. Wer von uns denkt nicht sofort an die Zeitmaschine, wenn man mal einen DeLorean im Straßenverkehr sieht. Was nur sehr selten vorkommt, denn es wurden weltweit nur ca. 9.000 Exemplare verkauft. Die Aussage von Doc Brown „Wenn man schon eine Zeitmaschine in einen Wagen einbaut, dann bitteschön mit Stil.“ war schon beim Erscheinen des Films 1985 ironisch, denn die DeLorean Motor Company (DMC) war bereits 1983 bankrott gegangen, weil sich ihr einziges Auto, der DeLorean DMC-12, zu schlecht verkaufte. Untermotorisiert und von Qualitätsproblemen geplagt hatte das Auto keine Chance am Markt. Ohne seinen Auftritt in der „Zurück in die Zukunft“-Trilogie wäre es heute völlig in Vergessenheit geraten.

Wie man an den unterschiedlichen Postern schnell erkennen kann, verhält es sich mit dem DeLorean aber genauso, wie mit dem Fluxkompensator. Wenn man 6 Personen nach ihm fragt, bekommt man 8 verschiedene Antworten, wie er aussieht und welche Rolle er im Film genau spielt.

Irgendwas ist damit besonders

Es gibt immer diese eine Sache, die besonders wichtig ist für das Projekt. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt, ohne den das Projekt auf keinen Fall ein Erfolg wird. Auch wenn sich die meisten Team-Mitglieder einig sind, was das ist, so sind sich viele uneins, warum und wie eigentlich genau.

Für „Zurück in die Zukunft“ ist es ganz klar der DeLorean, der hier im Mittelpunkt steht. Sein Killer-Feature ist natürlich, dass er zur Zeitmaschine umgebaut wurde. Das kann man aber in fast keiner seiner Poster Visualisierungen erkennen oder erahnen. Den meisten Zuschauern bleiben die brennenden Reifenspuren direkt nach dem Zeitsprung in Erinnerung. Schaut man auf die Darstellungen auf den Postern, so wird der DeLorean fast immer mit Streifen in Verbindung gebracht. Wenn man aber nicht schon weiß, woher diese Streifen stammen, dann hat man keine Chance, darauf zu kommen. Man könnte leicht annehmen, dass die Feuerspuren ein Symbol für hohe Geschwindigkeit sind. Dies gilt insbesondere, wenn man gar nicht mehr erkennen kann, dass es sich um brennende Spuren handelt, weil die Spur als vereinfachter farbiger Strich dargestellt ist. Das verstärkt den Gedanken an ein Symbol für hohe Geschwindigkeit. In den ersten vier Postern, werden die Streifen immerhin noch korrekt dargestellt, quasi als Reifenspuren, die der DeLorean hinterlässt. Im fünften Poster sieht es aus, als kämen die Streifen aus dem Heck des Wagens. Im letzten Poster sieht es so aus, als wären die Spuren vor dem Wagen, was überhaupt keinen Sinn macht. Oder man könnte sogar denken, dass sie Lichtkegel aus seinen Schweinwerfern sind. Dieses Gefühl wird auch noch dadurch verstärkt, dass die Flügeltüren geöffnet sind und der DeLorean wohl gerade nicht fährt. Wie auch immer, wir bekommen zwar klar kommuniziert, dass der DeLorean für den Film super wichtig ist, aber nicht, was es genau mit ihm auf sich hat.

Es braucht aber mehr als nur ein Detail

Jetzt kommen wir zu einer Gruppe von Team-Mitgliedern, denen bewusst ist, dass das Projekt nicht mit einem einzigen Detail sinnvoll beschrieben werden kann. Ihnen ist auch klar, was den Kern des Projekts im Prinzip ausmacht. Leider können sie nicht alles beschreiben, was tatsächlich genau dazu gehört. Vielleicht weil sie wirklich nicht alles kennen oder beim Erklären Dinge vergessen. Leider ergibt sich für uns somit immer noch kein rundes Big Picture. Die Poster in diesem Abschnitt zeigen, dass es wohl klar ist, dass der DeLorean allein nicht ausreicht. Ohne Marty macht auch der DeLorean keinen Sinn. Aber was macht Marty mit dem DeLorean? Wie stehen sie in Verbindung? Wir sehen hier auch keine einzige Andeutung von Zeitreisen oder sonstigen Handlungssträngen. Wir wissen nur, dass wohl sowohl Marty als auch der DeLorean wichtig sind.

Verschiedene Dinge müssen zusammenkommen

Bei den Antworten aus dieser Gruppe ist auch wieder klar, dass verschiedene Dinge zusammenkommen müssen. Aber welche? Diese Gruppe kennt das Kernkonzept des Films und möchte uns klar vermitteln, dass der DeLorean eine Zeitmaschine ist. Alle Poster zeigen irgendeine Darstellung von Zeit in Kombination mit dem DeLorean. Interessant ist, dass auch hier wieder keine der Uhren eine Uhrzeit anzeigt, die im Film irgendeine Rolle spielt. Schon gar nicht die wichtigste Uhrzeit: 10:04 Uhr. Die Turmuhr auf dem letzten Poster hat sogar gar keine Zeiger.

Oder sind es doch andere Dinge, die zusammenkommen müssen

Dass verschiedene Dinge zusammenkommen müssen, wird auch aus dieser Gruppe von Antworten wieder ganz klar. Aber hier sind es schon wieder andere Dinge, die zusammenkommen. Das Konzept Zeitreise ist hier leider in keinem der Poster zu erkennen. Aber in einem sind sich alle Team-Mitglieder aus dieser Gruppe einig: Ein Blitz spielt eine große Rolle. Aber wie dieser Blitz die Handlung beeinflusst, darin ist man sich doch eher uneinig. Einige sagen, der Blitz schlägt in den DeLorean ein, andere sagen, der Blitz schlägt in die Turmuhr ein. Das mit der Turmuhr stimmt sogar und das mit dem DeLorean zumindest im übertragenen Sinne. Aber andere sagen uns, dass der Blitz in Martys Gitarre oder sein Skateboard einschlägt. Und das macht ja wirklich überhaupt keinen Sinn. Wie auch immer, so richtig rund ist die Story hier immer noch nicht, egal wo der Blitz einschlägt.

Die richtigen Dinge müssen zur richtigen Zeit richtig zusammenkommen, damit es am Ende richtig funktioniert

Wenn wir endlich auf Vertreter:innen aus dieser Gruppe von Team-Mitgliedern treffen, können wir uns glücklich schätzen. Denn sie wissen ganz genau, welche Dinge zu welchem Zeitpunkt wie zusammenkommen müssen, damit das Kernstück des Projekts richtig funktioniert. Damit ist uns schon mal viel geholfen. Sie beschreiben uns die Sachlage zwar leider recht neutral und fachlich, aber immerhin, hier fehlt schon mal kein Bestandteil. Die Poster-Antworten zeigen ganz klar, dass der DeLorean und ein Blitz, der um exakt 10:04 am Abend in die Turmuhr einschlägt, zusammenkommen müssen. Die ersten beiden Poster zeigen das noch recht abstrakt. Auf dem dritten Poster kann man sogar schon erkennen, dass der Blitz irgendwie von der Turmuhr in den DeLorean geleitet wird. Wie das aber genau abläuft, können wir nicht erkennen, aber wir kennen immerhin alle Dinge, die zum Höhepunkt des Films, dem Sprung zurück in die Zukunft, zusammenkommen müssen.

Endlich wird mal erklärt, wie etwas tatsächlich abläuft? (1 Szene)

In allen Antworten, die wir bisher bekommen haben, ging es immer um Dinge, Komponenten, System-Bestandteile, Subsysteme oder Stakeholder Gruppen. Bisher hat noch niemand versucht uns zu erklären, wie das System wirklich abläuft und von Nutzer:innen wahrgenommen und erlebt wird. Leider vergessen viele Team-Mitglieder immer noch, dass ein Software-System nicht zum Selbstzweck gebaut wird. Es unterstützt immer Nutzer:innen bei ihren Tätigkeiten, im Falle von Business Software, bei ihrer Arbeit. Somit ist es super wichtig zu wissen, wie sie die Software wahrnehmen. Welche User Experience haben sie bei der Nutzung: Business Professional oder Geil oder Horror?

Übertragen auf „Zurück in die Zukunft“ bedeutet das, dass wir zum ersten Mal erklärt bekommen, wie eine Szene tatsächlich abläuft und nicht nur, welche Dinge in dieser Szene zu sehen sind. Mit den ersten drei Postern haben wir sogar richtig Glück, denn sie beschäftigen sich sogar mit der Schlüsselszene, die im letzten Abschnitt bereits angesprochen wurde. Nur erfahren wir hier nicht nur, dass der DeLorean und ein Blitz, der um 10:04 in die Turmuhr einschlägt, zusammenkommen müssen. Wir erfahren, wie sich das genau abspielt und wer involviert ist. Wir sehen, dass ein Kabel von der Turmuhr runter zur Straße gespannt wurde. Wir sehen auch, dass der DeLorean mit einem Fangarm ausgestattet wurde, mit dem er dieses Kabel berühren kann. Wir sehen außerdem, dass Mary im DeLorean sitzt und Doc Brown sich von der Turmuhr am Kabel zur Straße herunterrutscht. Im ersten Poster sehen wir sogar, warum: Um das Kabel an der Straße zu reparieren. Dort sehen wir auch, dass sich der DeLorean wohl mit großer Geschwindigkeit auf das Kabel zubewegt. Es scheint spannend und knapp zuzugehen.

Aber nicht alle Team-Mitglieder, die uns erklären, wie das System wahrgenommen wird, erzählen uns vom Killer-Feature oder der Haupt-Funktionalität. Es kann auch sein, dass wir zwar ein gutes Bild von der Nutzung des Systems bekommen, aber leider von einem eher nebensächlichen Teil. So zeigen uns auch die letzten drei Poster den Ablauf von drei Szenen aus dem Film, aber nicht von der Schlüsselszene. Wie die Action von Martys Flucht in 1985 vor den Libyern auf dem letzten Poster eingefangen wurde, finde ich übrigens mega. Zum Gesamtverständnis des Films trägt es jedoch wenig bei.

Bei aller Freude über die neuen Erkenntnisse muss man aber leider dennoch sagen, dass selbst die Beschreibung des Killer-Features eines Systems oder eben der Schlüsselszene aus einem Film, leider meist keine gute Big Picture Zusammenfassung ist.

Super viele Infos, aber ohne jeglichen Zusammenhang

Natürlich gibt es auch Team-Mitglieder, die sich in ihren Antworten weder auf die Beschreibung eines einzigen Details noch auf eine Menge von Details aus einem bestimmten Systembereich beschränken. Sie versuchen uns jedes Detail des gesamten Systems zu erklären. Leider ohne jeglichen Zusammenhang. Auch hier gibt es natürlich wieder Unterschiede. Manche kennen nur wenige Details, manche kennen sehr viele. Manche beschreiben auch noch die Stakeholder des Systems gleich mit, andere beschränken sich auf Systembestandteile. Auch der Abstraktionsgrad ist völlig unterschiedlich in den Antworten. Manche beschreiben die Details nur rudimentär und manche beschreiben sie bis aufs letzte Bit hinunter. Manche übertreiben es positiv in buntesten Farben oder malen alle Aspekte schwarz-weiß.

Auch wenn es meist sicherlich gut gemeint ist, so viel wie möglich über das System zu erzählen, wenn man eine einfache Big Picture Antwort haben möchte, dann ist eine solch umfangreiche Antwort sicherlich fehl am Platz.

Endlich mal von Anfang bis Ende (die ganze Handlung)

Und dann gibt es noch die Team-Mitglieder, die versuchen den gesamten Funktionsumfang, d.h. jedes einzelne Feature des Systems chronologisch von vorne bis hinten zu erzählen. Das beginnt meist mit der viel zu umfangreichen Erklärung, wie man sich in das System überhaupt erst mal zur ersten Nutzung einlogged. Ich hasse das. Wenn ich wissen will, worum es bei einem System geht, dann interessiert es mich Null-Komma-Null, wie man sich in das System einlogged. Kein System stellt sich durch seinen Log-In Mechanismus allein. Hoffentlich ist das Log-In nie das Killerfeature eines Systems. Wie auch immer. Nach der ewigen Erklärung, wie man sich in das System sicher einlogged, wird dann ein Feature nach dem anderen erklärt. Natürlich nicht nur der Happy Path. Nein! Das wäre zu einfach. Alle auch noch so abstrusen Sonder- und Spezialfälle, die auftreten könnten, werden gleich miterklärt. Natürlich nicht nacheinander, sondern in einem Rutsch. So dass man am Ende der Erklärung eines einzigen Features schon gar nicht mehr weiß, worum es eigentlich ursprünglich mal ging. Und so geht das dann von Feature zu Feature. Gerne mal stundenlang. Das trägt überhaupt nichts zum schnellen Aufbau eines Big Pictures des Systems bei.

Die ersten beiden Poster beschreiben zwar irgendwie schon die gesamte Handlung von „Zurück in die Zukunft“ aber auf diesem Abstraktionslevel hat man keine Chance, das zu verstehen, wenn man den Film nicht schon kennt. Das dritte Poster zeigt zwar ein paar mehr Details, aber auch hier ist man verloren, wenn man den Film nicht kennt. Die nächsten beiden Poster repräsentieren wunderbar die gerade beschriebene umfangreiche Beschreibung der Handlung. Auch wenn die Darstellungen unterschiedlicher nicht sein könnten, so zeigen beide die vollständige Handlung des Films, von Anfang bis Ende. Auch wenn man sich den Handlungsstrang in der vorletzten Abbildung selbst herleiten muss. Beide Darstellungen helfen zwar beim Verständnis des Films aber beschleunigen nicht den Aufbau eines Big Pictures.

Alle Poster in diesem Bereich haben leider eine Gemeinsamkeit: Obwohl die Handlung von Anfang bis Ende erklärt wird, kommt die Stimmung und das Genre des Films in dieser neutralen Darstellung gar nicht rüber. Weder dass es sich um einen Film aus den 1980er Jahren handelt, noch dass der Film eine Abenteuer-/Science-Fiction-Komödie ist, die in den 1980er und 1950er Jahren spielt.

Zwar alles, aber in unbrauchbarer Abstraktion

In der letzten Gruppe von Team-Mitgliedern, die die ganze Handlung erklären, gibt es noch eine spezielle Untergruppe. Das sind Team-Mitglieder, die wirklich das vollständige System, mit all seinen Features von Anfang bis Ende erklären können, aber auf eine Art, die niemand verstehen kann. Der Umfang des Wissens über das System ins gewaltig und schon fast angsteinflößend, aber leider können sie ihr Wissen nicht auf eine Art kommunizieren, die von anderen verstanden wird. Du kennst das bestimmt: Manchmal denkt man, dass diese Personen eine andere Sprache sprechen oder gar von einem anderen Planeten kommen. Auch sie sind leider überhaupt nicht hilfreich beim Aufbau eines Grundverständnisses bzw. eines Big Pictures des Systems.

Die letzten beiden Poster repräsentieren Antworten aus dieser Untergruppe. Das erste Poster ist noch ein bisschen schlimmer als das zweite, denn man weiß gar nicht, wo Anfang und Ende sind. Kennst du diese Darstellung von Filmen? Von Anfang bis Ende wird für jede Szene der dominante Farbton aus dieser Szene bestimmt. Dieser einzige Farbton repräsentiert dann diese Szene als Strich in der Zusammenfassung. Die Breite des Strichs ergibt sich aus der Länge der Szene. Es gibt Unternehmen, wie z.B. MoviePallete, die sich auf die Erstellung solcher Filmbilder spezialisiert haben. Aber sei ehrlich: Hättest du „Zurück in die Zukunft“ erkannt? Wohl eher nicht.

Endlich, das klingt doch richtig gut

So, endlich geschafft. Wir haben jemanden gefunden, der uns das Big Picture des Systems erklären kann. Darauf solltest du aber lieber nicht wetten. Es ist recht wahrscheinlich, dass dir keiner aus dem Team eine wirklich gute Big Picture Zusammenfassung des Projekts geben kann. Meist musst du es dir selbst ableiten, nachdem du mit vielen Team-Mitgliedern aus unterschiedlichsten der oben genannten Gruppen gesprochen hast und viele Informationen bekommen hast, die du dir jetzt selbst zum Big Picture zusammensetzen musst.

Für „Zurück in die Zukunft“ hatte ich aber Glück. Wie bereits erwähnt, findet man im Internet eine Vielzahl von Postern, die von Fans des Films erstellt wurden. Viel mehr als die, die ich in diesem Artikel zeige. Insbesondere gibt es viele tolle Poster Sets zur Trilogie, die nur zusammen gut wirken. Aber unter allen Postern, die ich gesehen hatte, habe ich nur dieses einzige Exemplar gefunden, das meiner Meinung nach eine gute visuelle Big Picture Beschreibung des Films darstellt. Die visuelle Gestaltung kommuniziert ganz klar, dass es sich um einen Film aus den 1980er Jahren handelt. Die schwarz-weiß Szene im Hintergrund spielt (ebenfalls ganz klar) in den 1950er Jahren. Dass Marty irgendwie in diese Zeit „fällt“, in die er nicht gehört und sich dadurch der Spannungsbogen ergibt, ist ebenfalls sehr gut dargestellt. Nicht nur durch den (Zeit-) Riss im Bild und den Farbe zu schwarz-weiß Kontrast, sondern auch durch den erschrockenen Gesichtsausdruck von Marty. Die Tagline „Martys Eltern waren dazu bestimmt, sich 1955 zu treffen, bis Marty aus der Zukunft vorbeikam.“ sorgt für die richtige Einordnung der dargestellten Details. Der DeLorean ist zwar fast nicht zu sehen, aber dass irgendwas mit Auto-Action beim Zeitsprung passiert, wird auch hier schon angedeutet. Wahrscheinlich ist auch dieses Poster als Big Picture Zusammenfassung nicht perfekt, aber irgendeinen Tod muss man eben bei einer solchen Zusammenfassung immer sterben. Ich persönlich finde jedenfalls, das Poster passt super.

Warum es vielen Menschen so schwer fällt, das Big Pictures ihres Projekts zu beschreiben, kann ich leider nicht sagen. Aber die Erfahrung zeigt, dass es leider so ist. Wie ist es dir beim Lesen ergangen? Hast du dich in einer der Gruppen wiedergefunden? Oder sogar in mehreren? Wie würde deine visuelle Big Picture Zusammenfassung von „Zurück in die Zukunft“ aussehen? Und wie würde nach dem Lesen dieses Beitrags die Big Picture Zusammenfassung von deinem Projekt aussehen? Du kannst die vorgestellten Problem-Gruppen als Checkliste nutzen, wie du es (nicht) machen sollst. Denk mal drüber nach und lasse uns gerne einen Kommentar dazu da.

Alternative Entwürfe von Drew Struzan

Für alle, die es bis zum Ende geschafft haben, gibt es hier noch einige alternative Entwürfe vom Meister Drew Struzan selbst, die er damals erstellt hat, die aber verworfen wurden. Die sind gar nicht so leicht zu finden, schon gar nicht alle acht. Auch hier kannst du ganz klar sehen, dass die verschiedenen Alternativen ganz andere Stimmungen erzeugen und ganz andere Erwartungen wecken. Wahrscheinlich kann man das heute nicht mehr neutral und unbefangen sagen, aber das ausgewählte Poster ist mit Abstand der beste Kandidat. Das letzte hier gezeigte Poster finde ich persönlich auch richtig gut, aber nicht für „Zurück in die Zukunft“ sondern für eine typische 80er Jahre Teen Rom Com, ohne Action und Zeitreisen.      

Marcus

1 Kommentar

  1. Nedo

    Ein spannender Beitrag! Der Vergleich mit „Zurück in die Zukunft“ und den verschiedenen Filmgenres veranschaulicht sehr gut, wie chaotisch das Bild eines Projekts werden kann, wenn jeder seine eigene Vision des Projekts erklärt. Spannend bleibt die Frage, wie man die Balance zwischen Detailtreue und Überblick findet. Ich denke es kommt auch darauf an, wer die Projektvision verstehen will und mit welchem Ziel. Wenn man das Pech hat, direkt zu Beginn auf die falschen Ansprechpartner zu stoßen, die einen mit Details überschütten, darf man zudem sein eigenes Bild oft stückweise korrigieren, indem man mit jedem neuen Gespräch gedanklich einen Schritt zurückgeht. Der Text bietet da eine gute Reflexion, um über die eigene Kommunikation im Projekt nachzudenken 🙂

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